Quali trotz Panne
Quali trotz Panne
Christoph schrieb einen tollen Bericht zum Rennen in Kopenhagen. Und eins vorweg: Das Starlight Team hat dieses Jahr 2 Athleten in Kona am Start!
Am 20.08.2023 starteten Birgit und Christoph Querdel beim Ironman Kopenhagen über die Strecke von 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen. Ausdauerwettkämpfe über viele Stunden haben meist ein paar Überraschungen parat. Nachfolgend beschreibt Christoph, wie er seinen „längsten Tag des Jahres“ erlebt hat.
Kopenhagen, 17:30 Uhr, ich bin auf meiner letzten Laufrunde und versuche, noch möglich viel der positiven Stimmung aufzusaugen. Die halbe Stadt scheint an der Strecke zu stehen und eine riesige Party zu feiern. Mir ist übel, ich habe tierischen Durst, kann aber seit einer Stunde nichts mehr herunterkriegen. Was sich anhört, als ob ich mitgefeiert und zu tief ins Glas geschaut hätte, beginnt schon ein paar Stunden früher, also von Anfang…
Um kurz nach 7 Uhr morgens stehe ich mit über 2000 anderer, in Neopren eingepackter Menschen am Schwimmstart zum Ironman Kopenhagen im Amager Strandpark. Ich verabschiede mich von Birgit, die in einer der vorderen Startgruppen in das 20 Grad kühle Wasser springen darf. Als langsamerer Schwimmer fällt der Startschuss für mich erst eine viertel Stunde später. Beim „rolling start“ dürfen alle 6 Sekunden jeweils 6 Leute auf die Reise gehen. Genug Zeit also, nochmal ins Grübeln zu kommen und sich die entscheidende Frage zu stellen: „Warum tue ich mir sowas freiwillig an?“ Natürlich kenne ich die Antwort und habe auch keinen Zweifel daran, dass es ein unvergessliches Erlebnis werden wird. Trotzdem steigt die Nervosität und ich bin froh, als ich endlich selbst loskraulen darf.
Nach einer für mich guten Schwimmzeit von 1 h und 13 min steige ich aus dem Wasser und mache mich daran, in der Wechselzone erstmal eine freie Toilette zu finden, da ich ungewollt einiges an Salzwasser verschluckt habe. Danach geht es ab auf die leicht wellige und mit insgesamt rund 1000 Höhenmetern wirklich schöne und gut fahrbare Radstrecke. Zuerst aber müssen wir raus aus Kopenhagen. Bei nasser Fahrbahn, engen Kurven, kombiniert mit vielen Schlaglöchern heißt es aufzupassen und konzentriert zu bleiben. Meine Scheibenbremsen quietschen nicht bei Nässe, nein, sie schreien wie eine Trompete und ich wecke die halbe Stadt auf mit dem Lärm. „I like your brakes!“ ruft mir ein anderer Teilnehmer zu und grinst, aber mir ist es schon etwas peinlich und ich bin froh, als endlich die Sonne rauskommt und alles langsam trocken wird.
Nach einem Drittel der Radstrecke fällt mir auf, dass ungewöhnlich viele andere von Pannen betroffen sind und ihre Reifen bzw. Schläuche wechseln müssen. Alle paar hundert Meter scheint jemand zu stehen und sein Pech zu verfluchen. Vor einer Woche habe ich dieses Szenario noch mit Birgit gedanklich durchgespielt und wir haben sicherheitshalber nochmal die Funktion unserer CO2-Pumpen getestet. Aber Birgit war sich sicher: Wir kriegen keine Platten im Wettkampf – schließlich sind wir beide im gesamten Trainingsjahr bei den Radausfahrten pannenfrei geblieben. Also nicht beirren lassen und weiterkurbeln, was in meinem Fall auch gut geklappt hat. Nach 5 h und 25 min habe ich die 180 km Radfahren erledigt und darf endlich in meine Laufschuhe steigen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Birgit hat es leider doch getroffen und sie musste nach ca. 80 km ihren Schlauch wechseln. Die Aktion hat geschlagene 19 Minuten in Anspruch genommen und nebenbei auch ihre Wettkampfmotivation auf einen Tiefpunkt katapultiert.
Auf meiner ersten Laufrunde halte ich auf den Passagen, in denen man sich mit anderen TeilnehmerInnen entgegenkommt Ausschau nach Birgit, die ich aufgrund ihrer früheren Startzeit und der schnelleren Schwimmzeit von 1h und 2 min weit vor mir im Rennen erwarte. Als sie mir entgegenkommt und noch keines der vier einzusammelnden Rundenbänder am Handgelenk trägt, wird mir klar, dass etwas schiefgelaufen sein muss. „Hatte eine Platten!“ ruft sie mir rüber und die Frustration darüber ist ihr noch im Gesicht anzusehen. „Nur noch ein Marathon“ rufe ich, aber da ist sie schon vorbei. Ich schaue auf die Uhrzeit und rechne kurz durch, dass sie trotz der Panne noch eine passable Radzeit hingelegt haben muss. Die 5h und 57min auf dem Rad ermöglichen Birgit nach meiner Rechnung immer noch eine Gesamtzeit von um die 11 Stunden. Etwas erleichtert über diese Erkenntnis konzentriere ich mich erstmal auf mein eigenes Rennen, welches bisher besser läuft als erwartet. So zeigt meine Uhr beim Laufen bis km 25 einen konstanten Schnitt von 5 min pro Kilometer, womit ich bei mittlerweile sonnigen 24 Grad und einigen Stunden in den Beinen sehr gut leben kann. Leider will aber irgendwann der Magen nicht mehr und mir geht langsam die Energie aus. Ich nehme mir fest vor, auf keinen Fall zu gehen. An jeder Verpflegungsstation kippe ich mir das Wasser statt in den Kopf einfach darüber und laufe wie ein begossener Pudel weiter. Nach einer von mir vorher nicht erwarteten Zeit von 10h und 28min überquere ich glücklich die Ziellinie und freue mich besonders, dass ich den abschließenden Marathon noch in 3h 40min über die Bühne gebracht habe. Keine 5 Minuten später sitze ich trotz der sommerlichen Temperaturen mit Schüttelfrost im Zielbereich und bin erleichtert, dass mein Magen zumindest Cola wieder akzeptiert. Langsam strömen das Koffein und der Zucker in die Blutbahn und ich komme wieder zu Kräften. Ich hole mir meinen Beutel mit der warmen Kleidung und noch wichtiger mit meinem Telefon. Ich checke in der Ironman-Tracker-App, wann Birgit im Ziel sein wird. Nur noch ein paar Minuten, also schnell wieder zur Ziellinie. Nach einer Marathonzeit von 3h 54 min kommt sie in einer trotz der Radpanne immer noch sehr guten Gesamtzeit von 11h und 2min sichtlich erleichtert ins Ziel.
Als ich ihr später mitteile, dass sie als erste ihrer Altersklasse aus dem Wasser gestiegen ist und zum Schluss noch den 6. Platz in der Kategorie Frauen 45-49 erreicht hat, steigt auch bei ihr die Stimmung. Uns wird klar, dass wir bis zur Siegerehrung am nächsten Tag entscheiden müssen, ob sie den Startplatz für die Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii annimmt, da in Kopenhagen noch 50 Startplätze für das Frauenrennen in Kona am 14.10.2023 zu verteilen sind.
Mein Fazit: Ein tolles und perfekt organisiertes Event, super Stimmung vor allem an der Laufstrecke und das alles in der schönsten Hauptstadt Europas. Und ja, wir fahren nach Hawaii, wo Birgit nach 2016 ein zweites Mal teilnehmen wird. Nun heißt es für Birgit: Weitertrainieren! Und für mich: Ausruhen? Nein, aus Solidarität werde ich natürlich mittrainieren, und wir werden das mit dem Reifenwechsel nochmal üben .