3 Länder Giro mit Annette

Nachdem eine ausgeprägte Arthrose im Sprunggelenk das Laufen ausgebremst hat, bin ich in den letzten 2 Jahren zunehmend aufs Rennrad umgestiegen und brauchte nun mal wieder eine neue Herausforderung.

Es sollte der 3- Länder Giro in Nauders werden, eine Radmarathonveranstaltung in alpinem Gelände mit 120 km auf 3000 hm.

Wecker 4:30, es schüttet aus Kübeln, es ist sehr kalt und sehr nass….warum genau bin ich nochmal hier???“

Bekleidungswahl erweitert um Winterhandschuhe und Überzieher für die Füße, außerdem zusätzliche Gels eingepackt, was sich im weiteren Verlauf als goldrichtig herausstellte.

Startblock 4, 6:30. In Nauders stehen 3500 bergwütige Radler am Start. Die Crew pusht die Masse, ich habe nicht nur „einen Köttel inne Buchse“, sondern auch Gänsehautmoment Nr.1.

Mit Startschuß ballert die Masse los.

Aus dem Ortskern raus geht es sofort bergauf, den Reschenpass hoch. Ich bin noch nicht einmal warmgefahren und habe schon die 250 Watt auffem Tacho. Die Heißdüsen ziehen an mir vorbei mit Knallgas und ich bin schnell im hinteren Drittel des Fahrerfeldes angekommen….ääähhh wie jetzt?

Uffz…also erstmal Dampf raus, einrollen und durchatmen. Hänge mich bei Martin in den Windschatten, einem 70-jährigen, der „heuer nicht so gut in Form ist….hahaha..nach 20 km muss ich Ihn ziehen lassen, in der anstehenden langen Abfahrt habe ich keine Chance dranzubleiben.

In Glurns wechsele ich von lang auf kurz, die Sonne kommt tatsächlich raus, das Klima wird sofort mediterran.

Bis nach Prad ist alles entspannt, ich fahre allein, habe Tempo aufgenommen und bin gespannt, wie das wohl so wird, mit dem Stelvio und mir….1800 hm im Anstieg stehen an bis auf 2758 Höhe, im Durchschnitt mit 8% und einigen Stellen mit bis zu 15% Steigung.

Jede halbe Stunde, so mein Plan, muß Energie in die Annette und so freue ich mich auf die erste Verpflegung in Trafoi, welche zu Beginn der 48 Kehren auf den Pass liegt…..die Station ist leider fast komplett leer gefuttert von den schnelleren Fahrern…keine Gels, nur noch wenige Bananen und zuckerfreie Haferriegel (welchen Sinn bitte machen zuckerfreie Riegel bei solchen Veranstaltungen???).

Ich freue mich, noch Gels eingepackt zu haben und mache mich an den Anstieg.

Die ersten Kehren geht es durch herrlichen Latschenwald, es ist angenehm kühl, die Straße ist recht schmal, so dass Autos, Mopeds und Radler sich in gegenseitiger Rücksichtnahme üben müssen, was mit steigender Höhe immer weniger gelingt.

Ich habe meinen Tritt recht schnell gefunden und kurbele mich so Kehre um Kehre nach oben. Ich fahre ein längeres Stück mit Miriam, einer Allgäuerin, die erst seit März diesen Jahres (!) Rennrad fährt und von 2 Radsportfreunden begleitet wird….es gibt also noch mehr Verrückte wie mich. Auf ca. der Hälfte des Anstieges überhole ich einen Radler aus Skandinavien, Jon, der mit einem Trekkingbike in Poloshirt und um die Hüfte gebundener Regenjacke sich dort hochkurbelt….geht offensichtlich auch.

Das Wetter ist wechselnd bewölkt und manchmal sonnig und allein die beeindruckenden Ausblicke auf Ortler, Geröllfelder, Gletscher und umliegenden Berge belohnen mich jetzt schon für die Strapazen.

Ich komme ziemlich gut klar, bin nicht die Schnellste, aber dafür recht konstant…das Training scheint sich gelohnt zu haben. Bergauf überhole ich Einige, die Stimmung ist gut, wir haben alle ein Ziel.

300 hm unterhalb des Gipfels sehe ich die ersten Mitradler, mit Krämpfen in den Beinen… weder radeln noch laufen können an dieser Stelle ist echt richtig scheiße.….ein Glück, mir geht es gut!

Nach 3h bin ich oben, jipiieeeh…es ist ziemlich viel Gewusel, nervige Mopeds, Autos, zu viele Menschen…außerdem sehr windig, und mit ca. 5° C ziemlich kalt.

Die verbliebenen, meterhohen Schneewände strahlen noch zusätzlich Kälte ab. Ich fahre schnell zur nächsten Verpflegung, um dort eine kurze Pause zu machen. Auch hier haben die Vorradler die Station ziemlich ausgebombt, es gibt noch genau Salzstangen, Cola und Iso.

Schnell anziehen, Motto: alles an, was geht! Die Fahrt bergab ist eisekalt, rasant, sehr steil und kurvig, die Strasse über den Umbrailpass sehr schmal….zur Feier des Tages ist die Auffahrt für Autos gesperrt, was die Situation auf der Straße deutlich entspannt.

In St. Maria angekommen scheint die Sonne, 20°, also erneuter Ausziehstopp und wieder auf kurz/kurz wechseln.

Ab jetzt heißt erst laufen lassen, dann bergauf kurbeln, die Freude den Stelvio gerockt zu haben beflügelt mich jedenfalls.

Die letzten 40 km ab Laatsch sind megaschön, aber biestig und kosten die letzten Körner….es geht weitestgehend über eine stillgelegte Bahntrasse zurück Richtung Reschensee, die allerdings immer wieder lange Rampen mit knackigen 10-12 % Steigung beeinhaltet….               aber ein bisschen was geht noch und so kann ich noch einige Radler überholen. Am Reschensee gehe ich an einer ebensolchen Rampe aus dem Sattel und merke: akute Krampfgefahr. Also schnell wieder hinsetzen, im Sitzen weiter kurbeln und mich fragen, ob ich wohl ohne Krämpfe im Ziel aus den Clickis rauskomme?

So schaffe ich es bis zum Reschenpass, ab da geht es nur noch bergab dem Ziel entgegen.

Im Ziel ist eine mega Stimmung, die Sonne lacht bei 26° vom Himmel, alle werden gebührend gefeiert und lautstark willkommen geheißen, …Gänsehautmoment Nr. 2.

Happy! Und ein bißchen im Eimer…

Fazit 1: Anfangsfrage des Tages ist beantwortet: ich mache das für mich, für das gute Gefühl sehr lebendig zu sein und für die kleinen und großen Glücksmomente und Begegnungen währenddessen!  

Fazit 2: Ich kann besser bergauf, als bergab fahren.

Fazit 3: Insgesamt ein Mega-Event, ich komme gerne wieder. Super Orga, tolles Rahmenprogramm drum herum. Einziger Minuspunkt für mich war tatsächlich die nicht mehr vorhandene Verpflegung auf der Strecke für die nicht so leistungsstarken Radler, das müsste m.E. anders gehen.

Noch ein paar Zahlen, Daten, Fakten:

Schnellste Radlerin meiner AK war genau 3 h schneller als ich.

Schnellste Frau insgesamt 4:13 h….wie geht das ??

Schnellster Mann insgesamt 3:35 h….wie geht das ???

Älteste Frau mit 67 Jahren in 6:57 h

Ältester Mann mit 75 Jahren in 6:00 h

…es ist also zukünftig noch deutlich Luft nach oben!!!

 

Und wenn Du jetzt auch Lust hast ein Teil der einzigartigen Starlight Familie zu werden, dann schreib doch eine Mail an: kontakt@starlight-team-essen.de

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